Ausnahmezustand

Ein Ausnahmezustand hatte in Kinshasa geherrscht, als wir entspannt am Atlantik waren. Nachwirkungen desselben konnten wir in der verstärkten Präsenz von Militärs bemerkten.

3. 1. abends, Dorcas ruft an. Ihre Stimme kling alarmiert. Hier ist Krieg! sagt sie, überall ist das Militär. Wir haben Angst ….

Wie immer habe ich Schwierigkeiten, am Telefon gut zu verstehen. Aber die Alarm-Stimmung überträgt sich auf mich. Hans ist bereit, sofort mit mir nach Kabinda zu fahren. Dass es bereits dunkel ist, macht uns/mir schon lange nichts mehr aus. Ich bin in der Dunkelheit genauso unterwegs mit Öffis wie tagsüber, ob allein oder wie jetzt mit Hans, ist (fast) egal.

Beim RTNC (Radio Television National Congo) steigen wir aus dem Taxi und sehen tatsächlich mehrere Jeeps von Militärs, und auch gegenüber im Gelände von Kabinda steht ein Jeep. Als wir uns der Unterkunft der beiden Frauen nähern, läuft uns schon Assunta, die zweitjüngste Tochter von Linde, entgegen, die Buben kommen nach. So zutraulich hab ich die Kinder  bisher noch nie erlebt. Vielleicht bedeutet unser Auftauchen für sie etwas Sicherheit.

Der Unterschied zum Morgen, Linde und Dorcas in neuen Klamotten, zu jetzt, wo sie wieder abgerissen, jeweils das jüngste Kind im Arm oder auf dem Rücken tragend, voller Angst erscheinen, ist frappant. Der Ausstieg aus der schlimmen Wirklichkeit, in der sie sich befinden, die sie sich, bedingt durch die Traumata, die sie schon erlebt haben, wohl auch immer wieder erschaffen, war allzu kurz!

Aufgeregt und ängstlich erzählen sie, dass auch in Goma alles mit der Besetzung des Rundfunkgebäudes begonnen hatte. Immer wieder erwähnen sie das Wort Krieg. Wir gehen zu den Militärs und ich frage, wie es um die Sicherheit bestellt ist und erzähle ihnen von der Angst der  beiden Frauen und ihrer Kinder vor gewalttätigen Unruhen. Für mich erstaunlich einfühlsam geht ein Militärmensch, den die Soldaten aus dem Jeep gerufen haben, auf die Frauen ein. Er lässt sich von ihnen erzählen, hört zu, und erklärt ihnen dann, dass die Situation hier in Kinshasa mit Goma nicht vergleichbar ist. Langsam beruhigen sie sich. Sie versichern aber, dass sie sich entschieden hätten, nicht nach Goma zurück zu wollen, da dort die Unruhen wieder losgegangen seien. Vor allem die Kinder hätten Angst und wollten nicht zurück. Sie möchten sich eine Wohnung in Kinshasa suchen und hier ihr Leben aufbauen.

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